BADEFRAU: Liebe Frau Junghans, vor ein paar Wochen durften wir staunen, für wie viele Krankheitsbilder das Heilfasten eine gute Therapieform darstellt. Doch wie sieht´s eigentlich mit dem Alter aus? Gibt es hier pauschal eine Grenze oder ist jeder geeignet?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Beim Heilfasten geht es um Umstimmung des Körpers. Es sollen die Selbstheilungskräfte aktiviert und Entzündungsvorgänge reduziert werden – ein Anliegen, dem sich jeder widmen kann. Schon in jungem Alter kann gefastet werden, man sollte jedoch mindestens 18 Jahre alt sein. Nach oben gibt es da auch keine Begrenzung, wir hatten auch schon 80-jährige Patient:innen. Wichtig ist eben nur, eine offene Einstellung gegenüber der Methode zu haben. Niemand sollte dazu gezwungen sein, das funktioniert nicht.
BADEFRAU: Das ist gut nachvollziehbar … aus den letzten Gesprächen habe ich mir mitgenommen, dass es immer besser ist, den Heilfasten-Kurs ohne Alltagsablenkung durchzuführen – nur so kann man lernen, abzuschalten und sich auf seinen Körper und dessen Bedürfnisse zu besinnen. Inwiefern wird die Nahrungszufuhr bei den Kursen umgestellt?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Das Heilfasten, ist bei uns an das „Buchinger-Fasten“ angelehnt. Bei diesem Verfahren gibt es über den Zeitraum nur Flüssigkost, aufgeteilt in Wasser, ungesüßten Tee, Gemüsebrühe und Saft. Der Körper lernt dadurch seine Energiegewinnung von Nahrungszufuhr von außen auf die inneren Reserven umzustellen. Das Besondere nach Prof. Dr. Uehleke ist die Schonung der Leber durch die zusätzliche Einnahme von Flohsamenschalen und Heilerde, denn sie hat die Hauptarbeit zu leisten.
BADEFRAU: Stichwort „innere Reserven“: Wie kann man sich die Funktionsweise im Körper vorstellen?
FRAU JUNGHANS: Mit dem Heilfasten wird der gewohnte Energiekreislauf unterbrochen. Unser Körper braucht Zucker, weshalb er im ersten Schritt auf seinen Kohlenhydrat-Speicher „Glykogen“ zurückgreift. Dieser wird in den Muskeln sowie der Leber bereitgestellt und reicht für etwa 48 Stunden. Dann lernen unser Gehirn, die Nebennieren und alle weiteren Organe die Energie aus den Fettreserven des Körpers zu gewinnen. Die Leber beginnt das körpereigene Fett zu verwerten.
BADEFRAU: Das klingt nach einer Menge Arbeit für unsere Organe! Ich finde es sehr spannend, wie komplex unser Inneres eigentlich funktioniert. Was passiert, wenn der Körper nach den 2 Tagen seine Energiegewinnung auf die eigenen Fettreserven umgestellt hat?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Sobald der Körper auf die Fettverbrennung zurückgreift, ist kein Insulin mehr notwendig – ein Hormon, welches erst „fehlen“ muss, bevor sich der Körper recyceln kann. Erst durch die Abwesenheit von Insulin und Aktivierung des Parasympathikus* kann sich der Körper regenerieren. Durch die Reduktion des Sympathikus – des Stressanteils unseres vegetativen Nervensystems – funktionieren der Darm und die inneren Organe besser. Wenn das Fettgewebe verbrannt wird, bilden sich als Nebenprodukt sogenannte Ketonkörper, die als Brennstoff dienen und gleichzeitig anti-entzündlich wirken. Unsere Leber wird beim Heilfasten besonders stark gefordert. Sobald der Körper seine Energie aus den körpereigenen Zellen gewinnt, werden natürlich auch dort abgelagerte Gift- und Toxinstoffe gelöst. Die Aufgabe unserer Leber ist es also diese Toxinstoffe zu entgiften, gleichzeitig Zucker für unser Gehirn bereitzustellen und Ketonkörper zur Energiegewinnung zu bilden. Außerdem ist das Geniale am Fasten, dass „alte“ Eiweißbestandteile von Zellen gezielt zur Energiegewinnung genutzt werden. Man nennt diesen Prozess „Autophagie“, das heißt der innere Müll wird vom Körper recycelt.
BADEFRAU: Wie läuft die Entgiftung in der Leber dann ab?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Es gibt zwei Stadien. Im ersten Stadium oxidiert die Leber die Giftstoffe, wodurch sie erst einmal unschädlich werden. Nach wie vor sind sie jedoch nur fettlöslich. Damit die Nieren die Giftstoffe ausscheiden können, muss die Leber also im zweiten Stadium für die Wasserlöslichkeit sorgen. Dies passiert durch eine Art „Verzuckerung“ der Giftstoffe. Während der Entgiftung benötigen das Gehirn und unser Körper Zucker, um die Hauptfunktionen aufrechtzuerhalten. Die gelösten Giftstoffe können also nicht sofort ausgeschieden werden, sondern müssen bis zu zehnmal im enterohepatischen Kreislauf** rückresorbiert, also wiederaufgenommen, und erneut entgiftet werden. Hier kommen nun Flohsamenschalen und Heilerde zum Einsatz.
BADEFRAU: Wow, das ist schon Wahnsinn, was die Leber alles leisten muss! Kann man sie bei der Entgiftung irgendwie unterstützen?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Ja, hier setzt das Uehleke-Fasten an. Die Patient:innen nehmen während des Heilfastens zusätzlich Flohsamenschalen und Heilerde ein, um die Überbelastung der Leber und damit verbunden auch ihre Selbstvergiftung herunterzufahren. Flohsamenschalen sind eine indische Wegerichart, die ein sehr hohes Quellvermögen haben und Giftstoffe aufnehmen können. In der Folge können diese gleich über den Darm ausgeschieden und müssen nicht rückresorbiert werden. Die Heilerde unterstützt zusätzlich durch das Binden von Schwermetallen. Durch die Entlastung steht die Leber für ihre anderen Aufgaben besser zur Verfügung. Zusätzlich nehmen Patient:innen beim Uehleke-Fasten in der zweiten Hälfte des Kurses Probiotika ein, was das Mikrobiom, also unser Darmmilieu, optimiert. In unserem Mikrobiom spielen sich 80% des Immunsystems ab. Unser Darm hat Billionen von guten Bakterien, die für uns arbeiten und ihre Aufgaben haben. Durch chemische Medikamente, Stress usw. können sie jedoch abnehmen und krankmachende Bakterien überwuchern. In der Folge kommt es dann zu vielen Zivilisationskrankheiten. Durch die Probiotika, die wir geben, stabilisieren wir das Mikrobiom wieder. Um die Darmflora nicht zu zerstören, werden hier keine Glauber- oder Bittersalze zum Abführen zu Beginn des Fastens angewendet.
BADEFRAU: Man könnte also sagen, dass das Uehleke-Fasten im Vergleich zu anderen Methoden ein relativ mildes und entlastendes Fasten ist. Auf was muss ich mich bei diesem Verfahren noch einstellen?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Erfahrungsgemäß sind viele Patient:innen am Anfang noch zu sehr vom Alltag gestresst, weshalb auch ihr Darm nicht optimal arbeiten kann. Um ihn schneller zu entlasten, arbeiten wir mit Einläufen, wodurch das Hungergefühl rascher nachlässt. Wir haben aber auch Patient:innen die zu uns kommen, weil sie keine Einläufe machen möchten und es schon durch die Einnahme Flohsamenschalen schaffen. Bei der Methode nach Uehleke ist beides möglich.
BADEFRAU: Die Flohsamenschalen scheinen also kleine Wunderwerkzeuge zu sein … inwiefern werden sie in das Heilfasten eingebunden?
OBERÄRZTIN JUNGHANS: Flohsamenschalen regulieren Stuhlgang, Durchfall sowie Verstopfungen und bilden eine gute chemiefreie Therapieform bei vielen Problemen, z. B. erhöhten Blutfett- und Cholesterinwerten. Wer unter solchen Beschwerden leidet, erhält beim Heilfasten auch gezielt Tipps, wie beispielsweise Medikamente eingespart werden können. Unsere Patient:innen bereiten sich mit dem Präparat schon eine Woche vor ihrer Anreise vor. Hier werden die Flohsamenschalen dann mehrmals täglich eingenommen. Auch danach sollte man es einen Monat in geringerer Dosis fortsetzen.
Ich muss zugeben, ich finde das Thema mit der Zeit immer spannender! Ist es nicht absolut genial, dass unser Körper in der Lage ist, seinen „Müll“ – all die abgelagerten Gift- und Toxinstoffe – selbstständig zu recyceln?!
Vielen Dank, Frau Oberärztin Junghans, für Ihre Zeit für das Interview und dass wir so viel spannendes über unseren eigenen Körper erfahren durften!
* Parasympathikus = Teil des vegetativen Nervensystems, der zur Erholung und Entspannung dient
** Enterohepatischer Kreislauf = Darm-Leber-Kreislauf
Foto: Unsplash
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