Wiesenbader Vital-Blog

N°7 | Michael Giesbert: Karatelehrer mit Morbus Bechterew

Michael Giesbert
Hallo liebe Wiesenbad-Freunde, ca. 450.000 Menschen sind in Deutschland von Morbus Bechterew betroffen. Die chronisch-entzündlich-rheumatische Krankheit beginnt meist mit starken Schmerzen im unteren Rücken. Oft kommt es zu Entzündungen der Gelenke, vor allem im Bereich der Wirbelsäule und Rippen. Folglich können die Gelenke verknöchern, die Wirbelsäule versteift sich und es entsteht eine typische gebeugte Haltung. Morbus Bechterew kann aber auch innere Organe, Augen und Sehnenansätze angreifen. Doch wie man sein Leben mit der Diagnose auch positiv gestalten kann, erfahre ich heute von Patient Michael Giesbert (61 J.) aus Niedersachsen.

Hallo Herr Giesbert.
Sie sind betroffen von Morbus Bechterew. Wie hat sich die Erkrankung bei Ihnen bemerkbar gemacht?

HERR GIESBERT: Rückblickend äußerten sich erste Symptome bei mir vermutlich schon in der Jugend. Sobald ich mich bewegte, fühlte ich mich gut. Wenn ich dann im Ruhezustand hin und wieder Rücken- und Gelenkschmerzen hatte, fand ich dafür eine andere Ursache – ja, manchmal redete man es sich regelrecht ein, z. B. dass ich zu lange an meinem Moped geschraubt hatte oder meine Haltung über den Tag schlecht war. Richtig für „voll“ genommen habe ich diese Symptome dann erst später im Alter von 48 Jahren.

Wie äußerte sich der Verlauf seitdem bei Ihnen? Wie sind Sie auf Morbus Bechterew als Ursache aufmerksam geworden?

HERR GIESBERT: Ich hatte Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, konnte mich nicht mehr richtig bücken oder meinen Oberkörper drehen. Bei vielen Übungen spürte ich eine Art „Sperre“ – es ging einfach nicht weiter. Gleichzeitig besserten sich die Beschwerden jedoch, wenn ich mich bewegte. Da es in meiner Familie schon Fälle gab und ich somit erblich vorbelastet bin, hörte ich auf, nach anderen Ursachen für meine Beschwerden zu suchen, sondern stellte mich der Diagnose „Morbus Bechterew“. Im Vergleich zu vielen anderen habe ich fast keine Schmerzen, wenig Morgensteifigkeit – typische Anzeichen der Erkrankung. Allerdings bin ich einhergehend mit Morbus Bechterew von der Autoimmunerkrankung Morbus Chron betroffen und habe akut mit Schlafproblemen zu kämpfen.

Häufig dauert es sehr lang bis die Diagnose gestellt wird – in der Regel bis zu 6 Jahre. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

HERR GIESBERT: Bei mir waren es bis zur endgültigen Diagnosestellung ca. 7 Jahre. Ich denke, das Problem ist vor allem, dass sich der Krankheitsprozess nicht pauschalisieren lässt. Bei jedem Betroffenen läuft die Erkrankung anders ab und oftmals werden die Symptome auch verdrängt. Der Verdacht kann also schon lange bestehen, doch die Diagnose erhält der Patient erst wesentlich später.

Ich kann mir vorstellen, dass der Alltag vieler Patienten durch die späte Diagnose stark beeinflusst wird. Inwiefern sind Sie durch Morbus Bechterew belastet? Gibt es Einschränkungen, mit denen Sie leben müssen, z.B. im Arbeitsalltag?

HERR GIESBERT: In meiner Beweglichkeit habe ich keine Schwierigkeiten. Allerdings leide ich unter Schlafproblemen, die sich über lange Zeiträume hinweg ziehen können. Dadurch fühle ich mich erschöpft und kann über den Tag nicht die erforderliche Leistung erbringen. Besonders im Berufsleben führte das in der Vergangenheit zu Konzentrationsschwierigkeiten und Gereiztheit – kein schöner Zustand.

Haben Sie über die Jahre eine Grundhaltung entwickelt, um mit diesen täglichen Anforderungen zurechtzukommen?

HERR GIESBERT: Besonders was die Schlaf-Thematik betrifft, war es für mich sehr schwierig, eine Lösung zu finden. Ich habe jedoch festgestellt, dass eine gewisse Offenheit mit dem Thema wichtig ist, um voranzukommen – sich bei bestimmten Dingen eben auch rauszunehmen, wenn es zu viel wird. Außerdem ist der Austausch untereinander sehr wichtig. Ich spreche viel mit einer Bekannten darüber, die ebenfalls von Morbus Bechterew und den Symptomen betroffen ist. Generell spielt Optimismus eine große Rolle in meinem Leben. Wenn man positiv mit einer Sache umgeht, kann man sich viel besser auf die Linderung seiner Beschwerden konzentrieren.

Viele sagen, dass Bewegung der Schlüssel ist. Inwiefern treiben Sie Sport? Was hat sich für Sie als besonders wirksam erwiesen?

HERR GIESBERT: Genau – Bewegung tut uns „Bechtis“ immer gut. Pro Woche mache ich mittlerweile 3 bis 4 Mal Nordic Walking, Yoga zur Dehnung und Konzentrationsförderung sowie 2 Mal Karate. Für mich eignen sich diese Sportarten wunderbar, denn sie beanspruchen den Körper symmetrisch und beinhalten nahezu jede Bewegungskomponente, die ich für mein Wohlbefinden brauche – Dehnung, Ausdauer, Koordination, Kraft und vor allem die Konzentration. Als Karatelehrer weiß ich außerdem, dass der soziale Aspekt eine große Rolle spielt. In der Gruppe Sport zu treiben, fördert den Effekt noch mehr. Nach meinem diesjährigen Kuraufenthalt werde ich mir die Morgengymnastik mit nach Hause nehmen und versuchen, sie in meinen Alltag zu integrieren. 

Welche anderen Komponenten müssen berücksichtigt werden? Was hilft „Bechtis“?

HERR GIESBERT: Auch die Ernährung sollte man als Bechterew-Patient nicht vernachlässigen. Ich bin gerade dabei, meine Ernährung auf vegetarisch umzustellen, da die pflanzliche Proteinzufuhr im Vergleich zur tierischen die rheumatischen Entzündungen hemmt.
Außerdem bekomme ich seit mittlerweile 10 Jahren ein gängiges Medikament gespritzt, das den Entzündungsprozess hemmt. Bis auf die genannten Schlafprobleme komme ich damit auch gut zurecht.

Kommen Sie regelmäßig nach Thermalbad Wiesenbad für Kuraufenthalte?

HERR GIESBERT: Als Bechterew-Patient ist es aus medizinischer Sicht wichtig alle zwei Jahre eine Reha in Anspruch zu nehmen – warum das also nicht nutzen? Mittlerweile führe ich nun schon zum 3. Mal für drei Wochen eine Reha in Thermalbad Wiesenbad durch, um mich für diese Zeit auf mich und meinen Körper zu fokussieren.

Was ist für Sie das Besondere an Thermalbad Wiesenbad?

HERR GIESBERT: Da gibt es viele Aspekte, die man herausheben sollte – das Kleine & Kompakte, dass es sich hier so familiär anfühlt, das Entspannte und Freundliche. All diese Punkte tragen wesentlich zur Erholung bei. Die Ärzte sind kooperativ und die Therapeuten schlichtweg super – auch die Intensität der Behandlungen ist perfekt. Im Zentrum steht immer die Ganzheitlichkeit. Das in Kombination mit dem Thermalwasser und der ruhigen Waldlage, die sich optimal zum Walken und Fahrrad fahren eignet, zieht mich hier immer wieder hin.

Danke, Herr Giesbert, für die lieben und ergreifenden Worte und dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben!

Skip to content